RAUS VON ZUHAUS !
  Dezember
 

Rundbrief Dezember

 

Salam liebe Leute, la baes al hamdullah ?? keyen-shi berrit allmaniya ?????

 

Jaja, Dezember, der Adventskranz brennt und ich bin froh dass ich von Weihnachten verschont bleibe. Allerdings fange ich an, etwas materiellen Luxus zu vermissen. Welch Leben, sich mal abends einen Film bei einem guten Bier reinziehen zu können (habe seit drei Monaten keinen Film außer Charlie Chaplin gesehen), ein Pizzaservice, Vollkornbrot, ein Sitzklo, ein Federbett, gute Milch (selbst die frische Milch aus der Kuh schmeckt hier anders). Aber dafür habe ich hier Strand, Meer, Sterne und wundervolles Essen (ich bin richtig fett geworden). Allerdings würde ich echt viel für ein heißes Bad geben, da die Feuchtigkeit langsam durch die Wände kommt und die Nächte arschkalt sind, es kein Warmwasser ohne Sonne gibt und Marokko keine Heizungen kennt.

 

Darna und Arbeit – „C est une guerre ici!“

Nachdem ich die letzten Novembertage meinen Blues ausgebadet und nichts gemacht habe, ging es jetzt im Dezember voll rund mit Arbeit. 4 Tage die Woche mache ich Theater, einmal auf der Farm, die anderen Tage mit den Kleinen aus der Herberge, einen Sketch über Immigration. Dazu der Gitarrenkurs, den ich jetzt mit 4 Jungs mache, da wir nun zwei Gitarren haben, Englischunterricht im Frauenhaus, Nachhilfe in Englisch und Französisch auf der Farm, Fotostory für die Jugendzeitschrift, Videoclips drehen mit den Kleinen. Und endlich, nachdem ich 3 !!! Wochen auf die verdammten Farben warten musste, die Farmhäuser bemalen.

Das ist auch gut so, denn die Probleme mit Darna halten an oder werden nie aufhören; Eric, der Direktor vom Theater hatte Ende des Schuljahrs fast mal wieder das Handtuch geschmissen, 3 Betreuer, darunter Adam hören bald auf und Leila, die Vizepräsidentin und Direktorin der Farm und des Jugendhauses, hätte letzte Woche, nach 8 Jahren Mitarbeit, auch schon fast gekündigt. Da war dann richtige Panikstimmung, denn ohne Leila würde Darna wirklich den Bach runtergehen. Probleme mit der Struktur und den Mitarbeitern sind die Gründe.

Darna ist eine Mafia, überall Intrigen, Verschwörungen, bizarre Geschichten.

Trotz allem ist die Arbeit schön, aber ich kann nicht auf Dauer mit den Kindern arbeiten ohne mit ihnen zu kommunizieren. Ich verstehe zwar mittlerweile ein wenig, aber es ist schwer für mich, nicht helfen zu können. Neulich hat mir zum Beispiel ein Junge seine Vergangenheit erklärt (was ich verstanden habe, war dass er drei Jahre im Knast war, warum hab ich nicht gecheckt) aber ich konnte überhaupt nichts dazu sagen.

 

Die Kids – „Mais qu est-ce que tu as fait? »

Eigentlich kümmert sich die Association ja um Straßenkinder. Aber wenn neue Kinder von der Strasse bei Darna ankommen, gibt es nur Probleme, die Betreuer sind überfordert und wissen nicht, wie sie mit den schwierigen Kids umgehen sollen. Denn diese sind wirklich schwierig, vorletztes Wochenende zum Beispiel, hat sich ein älterer Junge von der Farm vollkommen betrunken und ist dann mit Messer auf Betreuer und Jungs losgegangen, zum Glück ist außer kleineren Wunden nichts passiert. Aber er muss Darna nicht verlassen, was ich nicht verstehe, wenn Jungs aus kleineren Gründen aus Darna rausgeworfen werden. Und die allgemeine Einstellung auf der Farm ist eh, dass die groesseren Jungs alle gefährlich sind, weil es halt Jungs von der Strasse sind. Schwer für mich nachzuvollziehen.

Ich meine, man merkt den Unterschied zu Kindern mit „normaler“ Vergangenheit und mit ihnen zu arbeiten kann wirklich sehr anstrengend sein. Zum Beispiel ist da Shaebiba, der französisch lernen will. Den ersten Satz den er lernen wollte war „ Ich habe Klamotten geklaut“ (vielleicht ist das der Grund für meinen chronischen Sockenmangel???) und dafür hat er eine Dreiviertelstunde gebraucht (es sind drei Wörter auf Französisch: „ J`ai vole vetements“). Oder meine Theatergruppe mit den Kleinen. Es sind 8 Kids mit total unterschiedlichen Erfahrungen, die miteinander echt schwer arbeiten können. Die kleine Hannae zum Beispiel, mein liebste, hat eine geistige Krankheit und lacht ohne Grund oder labert irgendwas die ganze Zeit und so können sich die andern nicht konzentrieren. Trotzdem ist sie super, für sie braucht man keinerlei Sprache. Ich würde sie am liebsten mit mir nehmen wenn ich gehe.

Allgemein ist mir aufgefallen, dass viele in der körperlichen (und auch geistigen teilweise) Entwicklung ziemlich unterentwickelt sind. Am Anfang hab ich gedacht, dass in der Herberge nur Kleine sind, bis ich rausgefunden habe, dass die 16, 17jaehrigen wie dreizehnjährige aussehen.

 

Arabisches Leben, Kultur – „ Ola, espagnola, non? Francaise, anglaise??? Aaahh, entina arabiya…“

Am 6. Dezember war es also soweit: 3 Monate Marokko. Und weil ich nur 2 Wochen vorher Darna gesagt habe, dass ich die Unterlagen für meine Aufenthaltserlaubnis brauche, waren sie natürlich nicht fertig. Jetzt bin also ich (verkehrte Welt!!!) ein illegaler Einwanderer, ohne Papiere. Hier in Tanger. Ich war jetzt schon zweimal bei der Polizei und immer hat was gefehlt. Allah, man muss jede Kopie legalisieren lassen, die marokkanischen Polizisten nutzen ihre Machtstellung noch mehr aus als die deutschen und das Komissariat ist echt so ein unangenehmes Gebauede!!! Naja, zum Glück hat Darna gute Beziehungen so dass ich außer böser Blicke nicht große Probleme bekommen habe und hoffe, am Montag endlich meine Carte de sejour zu haben. Die Marokkaner finden das total witzig und seltsam, dass ich als Europäerin ein Visum für Marokko haben will und die Kids nennen mich jetzt Haerregra. Die Französin bei Darna hatte auch Probleme mit ihrem Visa und wurde nach ihrem Besuch in Ceuta, einer spanischen Exklave, fast nicht mehr nach Marokko gelassen.

Die Leute hier meinen, dass ich schon tangeroise geworden bin. Mittlerweile kann ich gut mit Fingern und Brot essen und habe immerhin schon an die hundert Wörter arabisch gelernt. Aber mit der Grammatik- es ist einfach alles zu anders. Ansonsten, denken die meisten, dass ich Spanierin bin (denn schließlich sind alle Touristen in Tanger aus Spanien), wenn ich englisch spreche bin ich aus den USA, wenn ich französisch spreche, aus Kanada oder der Schweiz. Aber die Deutschen haben schließlich alle blonde Haare. Und die meisten Leute hier pauschalisieren ganz schön. So mag man etwa keine Engländer, weil sie englisch sprechen und die USA böse ist (Zusammenhang??). Ansonsten ist ganz Europa einfach klasse. Zumindest nach der Meinung der meisten Marokkaner mit denen ich gesprochen habe. Sie wollen weg von hier, weil sie meinen die Marokkaner sind uncool, inwiefern erklären sie aber nicht. Das witzige ist, dass meine besten marokkanischen freunde hier, alle die marokkanische Mentalität nicht mögen. Aber meistens blick ich eh nicht durch, was nun stimmt und was nicht denn „les marocains aiment rigoler“ (die Marokkaner spaßen gerne).

Und ich komme mir weiterhin vor wie ein Verbrecher, weil ich jede freundschaftliche Beziehung verstecken muss, weil sonst wieder die wildesten Gerüchte ausgesponnen werden.

Manchmal kommt mir Tanger wie ein Nest für gescheiterte kreative Köpfe oder solche die es noch werden wollen, vor. Durch das Theater bin ich gut in die künstlerische Szene hier integriert und es gibt viele junge Kreative und unglaublich Begabte Marokkaner hier, die sich oft im großen Cinema Rif treffen um Gitarre zu spielen und gemeinsam zu singen und zu labern. Das ist eine sehr schöne Atmosphäre.

Und vor 12 Uhr bedeutet hier um 14 Uhr anzukommen. Ich habe mich in Deutschland wirklich als geduldiger Mensch gesehen. Hier stellt der Begriff „Geduld“ ganz andere Dimensionen dar.

 

Und weiter….? Oder: „Maeshi schorlek“

Was wird die Zukunft bringen??? Man weiß es nicht. Nach dem großen Opferfest schließen wir das Theater bis März, um es ein bisschen auf Vordermann zu bringen. Hafid wollte eine Wohnung für mich suchen, doch da ich nicht mehr allzu lange bleiben werde, ist es Schwachsinn und ich werde demnächst stattdessen für die letzte Zeit ins Theater ziehen. Dann muss ich mir den Stress mit den Sammeltaxis auch nicht mehr geben, der mir täglich zwei Stunden kostet.

Vom 20.12. bis 04.01. mache ich meine Marokkoreise und werde auch natürlich berichten, ich freue mich schon extrem darauf. Im Januar werde ich meine Idee verwirklichen können, einen Austausch zwischen den Jungs der Fondation Rita Zniber in Meknes (wo Julien arbeitet), die keine Familie haben und Darna zu initiieren. Auch wenn ich da erstmal nur mit 4 Jungs für ein Wochenende mache, glaube ich doch, dass das eine gute Idee ist, denn viele haben Tanger noch nie verlassen und träumen von Europa ohne die Schönheit Marokkos zu kennen. So finden sich vielleicht neue Freunde und sie werden zum ersten Mal Schnee zu Augen bekommen. Wenn alles gut läuft, lässt sich das vielleicht regelmaessig machen. Da liegt irgendwie eine ganz schön große Verantwortung auf mit, aber ich freue mich sehr, dass ich diese Idee verwirklichen kann.

Und bald werdet ihr mich wieder sehen, denn länger als ein halbes Jahr bleibe ich nicht, habe ich beschlossen. Allerdings möchte ich weiterhin arabisch lernen um zurückzukehren und richtig arbeiten zu können.

Da mein Handy immer noch mit den Franzosen durch die Wüste gurkt: Legt euch Skype zu (aus dem Netz runterladen) und ein Headset, dann kann man kostenlos telefonieren. Mein Username ist katrin.heiserholt  und ich freue mich über jedes Gespräch.

Und endlich (morgen) gibt es neue Fotos auf meiner Homepage

 

Mit allerliebsten Grüssen aus dem Land der vielen Katzen und des Brotes

Eure Karima

 

 
 
  Heute waren schon 1 Besucher (3 Hits) hier!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden